Dorothea Nürnberg

Heimgekehrt


DER STANDARD, 16. 3. 2002


"Gedichte, sagte die Lyrikerin Brigitte Oleschinski einmal, gehen über Grenzen, von denen man nicht weiss, ob man sie überqueren kann. Das gilt für Autor wie Leser. Manche dieser Grenzen liegen ganz nah ... andere sind schwerer erreichbar: Fussspuren im frisch gefallenen Schnee von New York, ein weinendes Kind in den Straßen von Jerusalem, der Flug des Aras im Regenwald, von Baum zu Baum. Lyrik hat mit (innerer) Bewegung zu tun, mit Musik, dem Klang des Denkens
und somit der Botschaft einer Form.
"Heimgekehrt unter das Kreuz des Südens" heisst Dorothea Nürnbergs in Zusammenarbeit mit HORIZONT3000 und Klimabündnis Österreich entstandenes Buch mit Impressionen aus dem brasilianischen Regenwald, das nicht nur, aber vor allem aus Gedichten besteht.
Fünf Teile...umfasst der Lyrikzyklus, der mit dem Sonnenaufgang beginnt und mit Schatten aber doch auch einem Lichtreiz endet ... Doch Nürnberg will nicht durch gesellschaftlich relevante Themen eine poetische Umwegrentabilität erwirtschaften, vielmehr geht sie immer wieder auf Distanz und nimmt neu Maß. So betont sie einleitend, dass es sich bei ihren Impressionen nicht nur um eine Reise ins Innere Amazoniens handelt, sondern ebenfalls um einen Schritt in die eigene Psyche.
"Leben - ein entscheidendes Wort, d a s entscheidende Wort." ...


ZDF: WISSEN UND ENTDECKEN, SENDUNG VOM 15.12.2003

Haymon Verlag
Heimgekehrt unter das Kreuz des Südens. Impressionen aus dem Regenwald
von Dorothea Nürnberg
Gebundene Ausgabe, 98 Seiten
Haymon Verlag, 2002
19,90 Euro
[…] Eine Wiener Journalistin unternimmt den Versuch, uns Mitteleuropäern die Welt des Regenwaldes, die Kultur der Völker Amazoniens nahezubringen. Sie schreibt - wenn man von der Einführung in die Thematik absieht - keine Prosatexte, sondern Gedichte über Pflanzen, Tiere und Menschen. "So kann man sich dieser Welt, der Natur und den Mythen am besten nähern, es entspricht auch am ehesten der Denkweise der Indigenas, die zumeist nur mündliche Literatur kennen."

Die Impressionen der Europäerin werden ergänzt durch die Sicht der Einheimischen. Diese wird zweifach wiedergegeben: Einmal durch den Beitrag von Higinio Tonório, der als kulturpolitischer Führer des Tuyuka-Volkes bezeichnet wird und der über Lebensweise und Kultur seines Volkes berichtet. Andererseits durch die naiv anmutenden Aquarelle von Feliciano Lana, einem Künstler aus dem Volk der Desana. Dies öffnet den Blick in eine ferne Welt, die uns - wenn wir uns um Verstehen bemühen - ganz nah sein könnte und deren Erhaltung zu den wichtigsten Aufgaben der industrialisierten Länder zählt.


DIE PRESSE/Spectrum, 6. 7. 2002

Regenwald. Den neuen Fußball-Weltmeister kennt nun jeder. Doch nicht jeder weiß, daß in diesem Land nicht nur die Ballkunst blüht, sondern auch zirka fünf bis 30 Millionen Pflanzengattungen, aus denen 25 Prozent der Wirkstoffe der modernen Pharmazie stammen. Um dem Unwissen über Amazonien zumindest ein klein wenig abzuhelfen, hat die Österreicherin Dorothea Nürnberg das Land bereist und unter dem Titel . . . heimgekehrt unter das kreuz des südens ihre "Impressionen aus dem Regenwald" in Buchform vorgelegt (100 S., geb., € 19,90; Haymon Verlag, Innsbruck).


SÜDWIND MAGAZIN, Mai 2002

"Europäische Reisende pflegen ihre Amazonas-Erfahrungen
in Berichten niederzuschreiben, die je nach der Zunft des
Autors mehr oder weniger abenteuerlich oder ethnographisch
geprägt sind. Ist es gewagt anzunehmen, dass ein sensibler
weiblicher Blick den Regenwald-Kosmos anders erlebt - und
somit auch anders darstellt? Das vorliegende Buch spricht
jedenfalls für diese Annahme. Lyrik steht in ihrer Dichte
und Gefühlsintensität dem Sehen mit dem Herzen wohl am
nächsten. Und so lässt uns die Lyrikerin mit ihren poetischen, atmosphärischen Sprachbildern teilnehmen an diesem Sehen,
lädt uns ein zum Miterleben des erwachenden Regenwaldes im "vogelschrei-flirrenden Morgenrot", der kühlen Nächte
mit Tanz und Trommelklang, entführt uns in einer
berauschenden Zeitreise ins amazonische Wasserland."



DIE UMWELT, April 2002

"Mit Gedichten und zu Papier gebrachten indianischen
Mythen geht Dorothea Nürnberg einen aussergewöhnlichen Weg,
das Interesse für die UreinwohnerInnen Brasiliens auch
in unseren Breitengraden zu wecken."


STEIERMARKMAGAZIN KLIPP, Mai 2002

"Ein aussergwöhnlicher Lyrikband. Ein poetischer Reiseführer
durch die Kultur der Völker Amazoniens, die Welt der Tiere,
Pflanzen, Klänge, Gedanken, die für uns neu sind ... Neu
ist auch die Ausdrucksweise, Bilder, die vor unseren Augen dadurch entstehen."


LATEINAMERIKA ANDERS/PANORAMA, Februar 2002

"... ein Buch der steirischen, in Wien lebenden
Autorin Dorothea Nürnberg, die den Regenwald Amazoniens
kennen und lieben gelernt hat und diese Beziehung in
einfühlsamen Gedichten niederschrieb. Bilder des Malers
Feliciano Lana vom Volk der Desana illustrieren in
eindrucksvoller visueller Kraft das Buch."


SANDAMMEER - DIE VIRTUELLE LITERATURZEITSCHRIFT, Mai 2002

"Dorothea Nürnbergs Impressionen aus dem Regenwald vermitteln
sich in einem sehr großzügig angelegten Gedichtband. In
Quartformat hat man die Möglichkeit sich pro Seite entweder
in ein Gedicht oder ein Bild zu versenken. Die Bilder stammen
von dem indianischen Künstler Feliciano Lana und begleiten
die Lyrikzyklen von Dorothea Nürnberg.
Es ist eine ungewöhnliche Komposition zweier Künstler
die sich, jeder auf seine Art, in eine fremde Welt
begeben haben. Malerei ist ein untypisches Medium für die
Kultur Amazoniens und die Gedichte der Wienerin versuchen
die unglaublichen Eindrücke, die die Dichterin auf ihrer Reise
erfahren hat, in Worte zu fassen. So ist es gleichzeitig ein
alles umfassendes und gleichzeitig sehr persönliches
Buch geworden."



TIROLER GEGENWARTSLITERATUR: HELMUTH SCHÖNAUER, 14.06.02
http://www.schoenauer-literatur.com/Nurnberg2.htm

.. heimgekehrt unter das Kreuz des Südens

Ungewöhnlichen Kulturen sollte man sich auch mit ungewöhnlichen Kulturtechniken annähern. Aus diesem Grund hat die Autorin Poesie anstelle von Reisereportagen gewählt, während sie für uns eine seltsame, entlegene Kultur des Amazonas erschließt.
Anstelle von Fotos gibt es wunderbar einfach komponierte Aquarellen von Feliciano Lana, der in der Biographie kurz als Künstler aus dem Volk der Desana bezeichnet wird. Das sagt sowohl von der Herkunft als auch vom sozialen Bewußtsein eine Menge aus.
Die Gedichte sind jeweils punktuelle Konzentrationen eines gigantischen Eindrucks. In einem Kosmos aus Feuchtigkeit, Froschgeräuschen, Dämmerung und Gleichzeitigkeit verschiedener Temperaturen werden die aktuellen Eindrücke festgehalten. Dabei gibt es kein lyrisches Ich oder sonst eine Person, die etwas erlebt, die Eindrücke stehen wie in unseren Gegenden vielleicht Verkehrsschilder kulturstumm und bedeutungsschwer in der Gegend herum. Selbst die Gegend ist meist aufgelöst in einen Komplex aus Laub und Farbe.

"seringueira // weißes blut / tropft klebrig / über den roten stamm / zähe tränen / aus dem tropischen wald" heißt es über eine Gummizapfstelle, und die Methode der Dokumentation durch Begriffe mit weitem Bedeutungsfeld ergibt eine überraschende Genauigkeit und Dichte des dargestellten Zustandes.

In einem einbegleitenden Kommentar zum Land des Amazonas, geschrieben von einem Einheimischen, kommt vor allem das Kopfschütteln über die Kultur der Weißen zum Vorschein. Auch wenn alle Weißen wieder einmal kollektiv zu einem Weißenbild zusammengefaßt werden, schimmert doch der melancholische Schmerz und die subtile Fassungslosigkeit durch, mit der die Bewohner des Amazonas die meist geschäftstüchtigen Weißen sehen.

Dorothea Nürnberg: ... heimgekehrt unter das Kreuz des Südens. Impressionen aus dem Regenwald. Mit Aquarellen von Feliciano Lana.

Innsbruck: Haymon 2002. 100 Seiten. € 19,90.

ISBN 3-85218-388-X
Dorothea Nürnberg, geb. 1964 in Graz, lebt in Wien.
Heimgekehrt unter das Kreuz des Südens. Impressionen aus dem Regenwald, Haymon Verlag, 2002



Cantares da terra...De volta ao lar debaixo do Cruzeiro do Sul,
Editora Valer, Brasil: Portugiesische Übersetzung, 2006

Rezension:

Tenório Telles, Schriftsteller, Professor für brasilianische Literatur und Mitglied der Academia Amazonense de Letras:

Poesie - Leben und Magie

Wie ein Fluß zieht das Leben seinen Lauf durch die gewundenen Wege der Zeit, indem es seine Landschaft aus Farben, Formen und Motiven erschafft. Als Ergebnis dieses permanenten Konstruierens und Erschaffens flicht sich unsere Erinnerung aus den Fäden unseres Leidens und unserer Träume, unserer Verluste und Hoffnungen.
Angesichts der Vergänglichkeit unseres Seins bleibt als Trost nur das Schöne und das Heilige.
Der mexikanische Schriftsteller Octavio Paz fasste diesen paradoxen Umstand mit seltener Sensibilität in folgende Worte:
„Die Poesie ist eine Möglichkeit sich gegen jene Mächte zu stellen, die sich nicht damit zufrieden geben, unsere Körper zu beherrschen, sondern auch unseren Geist unterwerfen wollen.“

Auch die österreichische Schriftstellerin Dorothea Nürnberg gehört zu jenen Künstlern, die sich dem Leben, dem Magischen und der Utopie verschrieben haben.
Als Intellektuelle mit profunder akademischer und humanistischer Bildung studierte sie deutsche und französische Philologie und Literatur an der Universität Graz und vervollständigte ihren akademischen Werdegang an der Sorbonne. Ihr literarischer Einstieg war das Theaterstück „Penelope“, 1998 uraufgeführt.
Die beiden Romane „Auf dem Weg nach Eden“ 2000 und „Tochter der Sonne“ 2004 brachten ihr die Anerkennung von Literaturkritik und Lesern. Ein weiterer Bestandteil ihrer künstlerischen Arbeit ist die Fotografie, eine Erfahrung, die sich in zahlreichen Arbeiten und Ausstellungen niederschlug.

Aus ihrer Liebe zu Brasilien resultierten mehrere Bücher, so auch „Heimgekehrt unter das Kreuz des Südens. Impressionen aus dem Regenwald“, erschienen 2002. Dieser Poesieband zeichnet sich durch die Sensibilität der Autorin und ihre Vorliebe für das amazonische Universum aus, wie sich auch dem Gedicht „amazonia“ entnehmen lässt: „gen-schatzkammer der erde / kronjuwel der schöpfung / artenparadies.“
Die portugiesische Version des Buches erhielt den Titel „Gesänge der Erde ... Heimgekehrt unter das Kreuz des Südens.“

Die Lektüre des Buches verschafft nicht nur ästhetischen Genuss, sie vermittelt auch eine Reise durch die Wasser- und Waldlandschaften Amazoniens, eine Begegnung mit der Landschaft, dem Menschen in Verbindung zu seiner Umwelt sowie den Mythen und Träumen Amazoniens.

Der Schriftstellerin gelang es, mit ihren Versen jene Magie einzufangen, die in den Elementen dieser verzauberten Welt pulsiert:
„fluss / große mutter / seele des kosmos / wasser und sonne / und himmel und wald / geschwister der menschen / die erde / das wasser / geschwister der sonne / die tiere / der wald.“

Als Schriftstellerin, die ihre Kunst beherrscht, flicht sie ihre Poesie mit Feingefühl und Genauigkeit.
Ihre Texte sind in sehr gewählter Sprache verfasst, durchdrungen von Subjektivität und Menschlichkeit. Auffallend in ihren Gedichten ist die Schönheit und Transparenz des Dargestellten, der Reichtum der Bilder, der sich durch die Verse zieht: „kielspur der sonne / rosarote wellen / im wasser-umschlungenen wald / zwischen schwarzen baumkronen / verbrennt / guaraná-rot / der tag.“

Die Bilder sind mit Farben, Formen und Feinheiten der amazonischen Welt gezeichnet. Der Blick der Autorin ist nicht der des Betrachters, der außerhalb steht, sondern der Blick desjenigen, der sich mit dieser Wasserwelt identifiziert und sich als Teil dieses Universums fühlt.

Ihre Verbindung mit Amazonien erschöpft sich nicht auf der Ebene der Beobachtung, sondern weitet sich auch mit der Sorge der Autorin, die sich in ihrer Parteinahme gegen die Agressoren der autochtonen Kulturen Amazoniens und der Umwelt äussert, Bedrohungen, die sich in der Verseuchung des Wassers, der Gefährdung von Tier und Mensch widerspiegeln.

Das Gedicht „gekippt“ ist Ausdruck dieses Bewusstseins und des Engagements für das Leben: „quecksilberfarbene schuppen / fische / treibend / wie tote gedanken / quecksilberschwer / krank / das wasser / der fluss / die erde / quecksilberfarbene träume / wie gewehrkugeln / so schwer“.

Dieses Buch ist auch Reflexion über den Sinn des Lebens und den Verlust des Heiligen. Geboren in einer Welt, die durch Materialismus verhärtet ist, fand Dorothea Nürnberg in Amazonien die Präsenz des Symbolischen und Magischen wieder – Werte, die in der „Alten Welt“ keinen Platz mehr haben. Sie verstand es, das kosmische Element zu entdecken, das sich in der Harmonie dieser Welt aus Wasser, Erde und Wald widerspiegelt und die Lebewesen und Natur miteinander verbindet; jene Welt, in der alles auf Leben, Traum und Transzendenz ausgerichtet ist, wo alles von der Kraft des Immateriellen belebt ist – die Pflanzen, die Tiere und das Wasser:
„der baum / wie im traum / erwacht / ganz sacht / und nimmt seine wurzeln / und packt sich am stamm / fest verwurzelt und stramm / und reckt sich nach oben / und haftet am boden / und greift / nach den wolken / und pflückt sich den mond.“

Diese vitale Kraft strömt aus dem Herzen der Lyrikerin, die, obwohl in einer anderen Welt geboren, zur Tochter des Landes der Ikamiabas wurde, zur Schwester der Sterne, der Flüsse, des Waldes, der Vögel und der Menschen. Und auch der mythischen Wesen Amazoniens, der „ziehenden wolken / träumeschwer“.